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WWF will Photovoltaik-Pflicht für alle Dächer
Die Natur- und Umweltschutzorganisation WWF fordert „eine umfassende Solarpflicht auf allen Dachflächen in Deutschland – bei Neubauten und schrittweise im gesamten Gebäudebestand“. Konkret sollen bereits ab 2024 Neubauten verpflichtend Solaranlagen erhalten, öffentliche und gewerbliche Gebäude dann ab 2026, der Rest 2028 folggen. „Um das Potenzial von Dachflächen möglichst auszuschöpfen, sollten mindestens 75 Prozent für die Installation von Photovoltaik-Anlagen vorgesehen werden“, heißt es beim WWF. Die Schätzungen basieren auf Daten des Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, das von einem technischen Potenzial von etwa 560 Gigawatt für Photovoltaik-Anlagen ausgeht, erklären die Umweltschützer. Das ist in etwa das Zehnfache der bislang installierten Leistung.
Fehlen also rund 500 Gigawatt. Zum Vergleich: Solarpower Europe hat die hiesigen Produktionskapazitäten analysiert. Während sie bei Polysilizium immer noch wenige 23,2 Gigawatt beträgt, sind es bei Modulen nur 8,1 Gigawatt. Noch schlimmer sieht es bei Ingots und Wafern (1,7 Gigawatt) sowie Solarzellen (0,8 Gigawatt) aus. Damit ist klar: Die Produktionskapazitäten in Europa reichen nicht, um bis 2028 eine Photovoltaik-Pflicht zu erfüllen.
Doch der WWF gibt sich optimistisch. Global verspüre die Solarenergie ebenfalls einen Boom. Die Produktion von Anlagen wird in den kommenden Jahren erwartungsgemäß wachsen. Wie viel Prozent die Nachfrage in Deutschland an der globalen Solarmodul-Produktion ausmachen wird, lasse sich daher heute noch nicht klar beantworten, heißt es auf Nachfrage vom WWF.
Das wollte pv magazine gar nicht wissen. Vielmehr hat uns interessiert, welche Folgen eine Photovoltaik-Pflicht auf deutschen Dächern für den Ausbau der Photovoltaik in anderen Ländern hat, wenn innerhalb von sechs Jahren sämtliche Dächer in Deutschland mit Solarmodulen bedeckt werden sollen. Denn die müssten ihre Ausbaupläne dann unter Umständen zurückschrauben. Doch da blieben die Umweltschützer vage.
Klar ist, aus Europa heraus wird das benötigte Material nicht kommen. “Wir glauben, dass wir bis zum Jahr 2025 eine Produktionskapazität von 20 Gigawatt in der EU installieren können, vom Polysilizium bis hin zu Modulen”, hatte Naomi Chevillard, Leiterin Regulatorik beim Branchenverband Solarpower Europe vor wenigen Monaten erklärt. Sollte die gesamte Produktion nach Deutschland gehen, würden demnach immer noch 400 Gigawatt fehlen.
Anders ausgedrückt: Es geht nur mit Hilfe aus China. Allein in der chinesischen Provinz Anhui werden derzeit Anlagen mit einer Produktionskapazität zwischen 30 und 60 Gigawatt errichtet.
Die Europäische Kommission hat untersuchen lassen, was kritische Rohstoffe und Materialien für strategisch wichtige Sektoren wie erneuerbare Energien sind und wo sie herkommen. Das Ergebnis ist ernüchternd. „China dominiert fast alle Aspekte der PV-Produktion und Anwendung“, heißt es in der EU-Studie. 53 Prozent der Rohstoffe, die Hälfte der weiterverarbeiteten Materialien, 89 Prozent der Komponenten und 70 Prozent der Module stammen aus dem Reich der Mitte. Zum Vergleich: Der Anteil Europas liegt bei den Rohstoffen bei sechs, bei weiterverarbeiteten Materialien bei fünf Prozent, im Bereich Wafer, Zellen und Module quasi bei null.
Dabei will der WWF auch noch, dass nachhaltige Lieferketten aufgebaut werden. Das wird mit Lieferungen aus China heikel und zumindest eine gründliche Überwachung erfordern. Denn zur Nachhaltigkeit gehören auch ethische und soziale Aspekte. Und ob die den Vorstellungen des WWF entsprechen, daran könnte der kürzlich vorgelegte Bericht zur Lage der Uiguren in der chinesischen Provinz Xinjiang der UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet zumindest Zweifel wecken.
Darüber hinaus ignorieren die Umweltschützer einen weiteren Aspekt: den Fachkräftemangel. Schließlich muss irgendjemand die Solarmodule auf die Dächer bringen und die Photovoltaik-Anlagen ans Stromnetz anschließen. Zwar räumt der WWF ein, dass Fachkräftemangel in relevanten Energiewendeberufen ein großes Thema sei, ergeht sich auf Anfrage aber in Allgemeinplätzen wie: „Die Politik ist aufgefordert, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Zuge einer Fachkräftestrategie stark zu fördern.“ Diese Aussage könnte so auch von Vertretern der Gastronomie stammen. Aus Kindergärten, Schulen, der Pflege und der Medizin – immerhin bildet Deutschland derzeit weniger Ärzte aus, als in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren in den Ruhestand gehen werden.
Klar, aus klimapolitischer Sicht ist die Forderung sinnvoll. Aber es fehlt ein realistisches Konzept, wie der Plan umgesetzt werden kann. Es wäre für das Klima in Städten unter Umständen ebenfalls sinnvoll, wenn in fünf Jahren auf jeweils hundert Quadratmeter Gartenfläche ein 20 Meter großer Laubbaum stände. Kann man fordern – und dabei ignorieren, dass die meisten Laubbäume nicht in fünf Jahren 20 Meter hoch werden. (Jochen Bettzieche)
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